Ich bin Mama eines einjährigen Sohnes und frisch verheiratet. Mein Plan war, nach einem Jahr Elternzeit wieder voll arbeiten zu gehen, weil ich dies sehr gern wollte, aber aus finanziellen Gründen auch musste. Als meine Tage ausblieben, habe ich mir zunächst nicht viel dabei gedacht. Man sagt ja, es brauche ein Jahr, bis sich die Hormone wieder umgestellt haben, sodass ich dachte, dies sei nur wieder mein alter unregelmäßiger Zyklus. Nach einiger Zeit wurde ich dann aber doch unruhig und sprach mit meinem Mann, der mir einen Test mitbrachte. Ohne Zweifel – ich war tatsächlich wieder schwanger. Mein Mann fand die Idee, ein zweites Kind zu bekommen, super – für ihn würde sich ja auch nichts ändern. Doch für mich brach eine Welt zusammen:
A) wollte ich gar nicht unbedingt ein zweites Kind,
B) sind wir recht knapp bei Kasse, und ich sah schon eine Vielfalt an Problemen auf mich zurollen,
C) hatte ich mir jahrelang so vieles aufgebaut, um in meinem Traumjob durchstarten zu können, und das ging vor meinem inneren Auge alles den Bach runter,
D) lief es in meiner Beziehung auch nicht rund.
Kurzum: Alles Sch….
Ich weinte hysterisch, und mein Mann war mir dabei keine Hilfe – auch heute ist er das noch nicht. Er ist ein feiner Mensch, doch nehme ich ihn als ein wenig überfordert mit dem Leben wahr (vom Gefühl her verhält er sich also manchmal schon wie ein zweites Kind).
Sofort dachte ich an einen Abbruch der Schwangerschaft und befragte Google, sodass ich auf der Seite von abtreibung.de landete. Mit Silvia fand ich jemanden, dem ich mich anvertrauen und mein Leid klagen konnte.
Zurück ins Berufsleben – und jetzt wieder schwanger – was tun?
Eine Woche nach dem Test hatte ich einen Termin beim Frauenarzt, zu dem mich mein Mann begleitete. Es war genau am 1. Geburtstag unseres Sohnes. Ich war so überhaupt nicht in Stimmung. Die Ärztin bestätigte die Schwangerschaft, und bei mir brachen alle Dämme. Ich hatte vorher erwähnt, dass ein Abbruch in Frage kommt und war dankbar, dass sie sehr liebevoll mit dem Thema umging. Sie gab mir eine Woche Bedenkzeit.
Diese Woche brauchte ich auch! Nicht, weil die Entscheidung nicht schon längst gefallen war, sondern weil ich die Zeit brauchte, um mir selbst Mut für meine Entscheidung zu machen…
Denn in dem Moment, als ich den Herzschlag des Babys sah, konnte ich nicht mehr anders. Ich bin ein recht sachlicher Mensch, aber die Verantwortung dafür zu übernehmen, diesen sichtbaren Herzschlag beenden zu lassen, war außerhalb meiner emotionalen Möglichkeiten. Ich könnte jetzt schon wieder weinen, wenn ich daran denke.
Gesagt, getan! Die Entscheidung für das Kind war getroffen. Doch wie würde es jetzt weitergehen? Dank Silvia hatte ich eine Idee, wo ich mir Hilfe suchen konnte und nahm entsprechende Beratungsgespräche in Anspruch. Das gab mir viel Sicherheit.
Jetzt bin ich in der 15. Woche und kann realistisch einschätzen, was auf mich zukommt. Ich werde es nehmen, wie es kommt. Wie heißt es so schön – man wächst mit seinen Aufgaben.
Ob ich die Beziehung zu meinem Mann aufrechterhalten kann, weiß ich noch nicht genau, aber ich weiß, dass ich es schaffen kann. Wie? Keine Ahnung – ich boxe mich einfach durch. Wird es holprig? Ich befürchte ja. Ist es das wert? Auf jeden Fall. Das Schicksal hält so einiges für uns parat, wir entscheiden nur, wie wir damit umgehen wollen.
(Claudia im Dezember 2017)
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