Hallo, ich möchte mich euch kurz vorstellen und euch erzählen, wie ich die Abtreibung meines Kindes erlebt habe. Mein Name ist Elke, ich bin 53 und komme aus Magdeburg. Mein Leben lief zunächst erstmal nicht besonders glücklich, ich war selbst ein ungewolltes Nachzügler-Kind und meine Eltern hätten mich lieber abgetrieben. Aber das ging in den 1960er Jahren noch nicht so einfach wie heute. So wurde ich 1967 in eine Familie hineingeboren, wo sich schlicht niemand über meine Ankunft gefreut hatte. Dennoch bemühten sich meine Eltern, mich nach ihren Möglichkeiten zu behüten und zu versorgen.

Zwischen meinem 12 Jahre älteren Bruder und mir entwickelte sich nie eine geschwisterliche Bindung, seit dem Tod unserer Eltern haben wir keinen Kontakt mehr. Er fehlt auch nicht in meinem Leben. Aber damals bedeutete er mir noch sehr viel und seine Meinung war mir wichtig.

Als ich mit meinem ersten Kind schwanger wurde, war ich Anfang 20 und in einer psychisch labilen Verfassung. In meiner ersten Reaktion freute ich mich unbändig auf mein Kind. Aber der Vater des Kindes war dagegen: „Entweder ich oder das Kind.“. Mein Bruder und dessen Frau verachteten mich wegen meiner „Blödheit“, dass ich nicht verhütet habe und werteten direkt meine Fähigkeit ab, eine gute Mutter zu sein. Meine Mutter (mein Vater war schon verstorben) war – wie immer – voller Angst und Sorge: „ Kind, wie sollst du das denn schaffen?“. Somit schwand in mir der letzte Funken Hoffnung und Freude über mein Kind. Ich ließ es abtreiben. Aus Vernunft. Nicht mit meinem Herzen.

Die Beziehung zum Kindsvater ging dennoch in die Brüche, ein neuer Partner kam in mein Leben. Nach einem knappen Jahr war ich erneut schwanger. Erst konnte ich es nicht richtig einordnen, aber dann spürte ich: Es war wie ein Ankommen in meine Sehnsucht. Diesmal fragte ich niemanden mehr nach seiner Meinung darüber. Ich freute mich auf mein Kind, obwohl ich psychisch immer noch nicht stabiler war. Glücklicherweise freute sich der neue Kindesvater auch über unser Kind, das machte es etwas leichter. So wurde meine Tochter im Sommer 1993 geboren. Aber mit ihrer Geburt geriet ich in ein seelisches Desaster. Tausend wirre Fragen kreisten um meinen Verstand: Warum konnte mein erstes Kind nicht leben? Warum darf dieses Kind meine Mutterliebe erfahren, mein erstes aber nicht? Warum hätte ich es nicht schaffen sollen, mein erstes Kind zu behalten? Ein Achterbahn-Karrussel zwischen Schuld, Scham und Trauer ließen mich aus meiner fragilen Lebensbahn immer weiter entgleisen.

Was ich damals nicht wusste: Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits am Post Abortion Syndrom erkrankt. Leider wussten das meine behandelnden Ärzte und Therapeuten auch nicht, weil es offiziell diese Erkrankung bis heute nicht gibt. Stattdessen hatte ich laut ICD eine „Posttraumatische Belastungsstörung“, eine „Depression“ uam. und wurde entsprechend dieser Diagnosen psychotherapeutisch und medikamentös behandelt. Geholfen hat es wenig. Immerhin wurden die anderen Auslöser meiner psychischen Labilität sehr gut behandelt, so dass ich etwas stabiler wurde. Aber die verdrängte Abtreibung blieb wie ein schwarze Wolke um meinem Herzen hängen. Irgendwann brachte ein geistliches Erlebnis die entscheidende Wendung: Der Gott der Bibel, an den ich seit ich denken kann glaube, offenbarte sich mir und tröstete mich durch seinen Sohn Jesus Christus.Ich sah Jesus vor mir stehen und er reichte mir mein Baby. Drei Tage und zwei Nächte hatte ich es im Geist bei mir und weinte und weinte und weinte. Dann war Jesus wieder da und nahm mein Baby mit. Er sagte mir : „Es ist gut mein Kind, lass es los.“. Danach hatte ich einen Traum, in dem ich mein Kind sah – ein Mädchen. Ich gab ihr einen Namen.

Heute kann ich sagen: Die Abtreibung war falsch. Aber ich konnte zu diesem Zeitpunkt nicht anders entscheiden.

Als meine zweite, lebende Tochter, das erste Mal schwanger wurde, war sie 14. Sie freute sich auf ihr Kind und ich war zuversichtlich: Wir schaffen das! Gemeinsam als Familie haben wir es auch geschafft. Heute ist mein Enkel 12, meine Enkelin ist 7 und es sind fröhliche, stabile Kinder. Meine Tochter ist mit dem Vater beider Kinder immer noch zusammen. Es hätte auch anders kommen können. Aber wenn sie sich getrennt hätten, wäre mindestens mein Enkel da und meine Tochter musste nicht gegen ihren Herzenswunsch abtreiben.

Nicht für jede Frau ist Abtreibung der bessere Weg. Wenn das Herz einen anderen Wunsch hat als der Verstand, kann es sehr kritisch werden. Ich bin glücklich, dass wir in unserer Familie die Abtreibungschronik beenden konnten.

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