Schwangerschaft · Hilfe · 9 Monate · Patin

Janina war 32 und seit einem Jahr von ihrem Mann getrennt. Kinder waren ihr nie vergönnt gewesen, und mit Hilfe einer Therapie hatte sie sich damit abgefunden. Das ist ihr Bericht:

„Mitte Dezember war ich gerade frisch zu meinem damaligen Freund gezogen. Ich habe dafür Job, Wohnung und Möbel aufgegeben. Am 23.12. war ich zu meinen Eltern gefahren, um Weihnachten mit ihnen zu verbringen. Am Heiligabend wollte ich meine Mutti zum Frühstück wecken, doch sie wachte nicht mehr auf. Ich organisierte mit meiner Familie die Beerdigung.

Ich musste mich in der Zeit drei Tage lang übergeben und war nach einiger Zeit sicher, dass das nicht mehr von der Trauer kommen konnte. Ich kaufte also einen Schwangerschaftstest und kaum angewendet, blitzen mich zwei Striche an.

Ich fuhr nach Hause und erzählte es meinem Freund. Er schaute mich eiskalt an und entgegnete: „Entweder du treibst ab, oder du kannst aus der gemeinsamen Wohnung abhauen!“ Für mich brach eine Welt zusammen: vor drei Tagen meine Mutter verloren, schwanger und einen Freund mit einem solch harten Verhalten.

Zwischen den Feiertagen war keine Praxis offen, sodass ich in das nächstgelegene Krankenhaus ging und um einen Gynäkologen bat, der die Schwangerschaft bestätigen sollte und mich eventuell wegen eines Abbruchs beraten konnte. Sie schickten mich anteilnahmslos weg, obwohl jemand da war.

Ich rief bei Donum Vitae an und bekam einen Beratungstermin im neuen Jahr sowie eine Praxis in einer anderen Stadt, die mich untersuchen wollte.

Bei der Untersuchung war ich in der neunten Woche, und als ich ihn auf dem Ultraschall sah, brach ich in Tränen aus, und meine Entscheidung war gefällt: Ich konnte es nicht übers Herz bringen, und auch das Beratungsgespräch bestärkte mich in meiner Meinung.

Nur wie umsetzen? Das Amt wollte mir nicht helfen, da ja der Kindsvater für mich zuständig war.  Ich weinte mich durch die Nächte und wiederholte immer mein Mantra, während ich meinen Bauch streichelte: „Wir schaffen das schon, Mama liebt dich!“

Meine beste Freundin in meiner 400 km entfernten Heimat erzählte mir, dass ihr WG-Mitbewohner ausziehe und ich sein Zimmer haben könne. So zog ich im vierten Monat mit nichts als nur Klamotten und Deko im Gepäck zu meiner Freundin. Auch mein Auto musste ich weggeben. Von dem Kindsvater persönlich hörte ich nie wieder etwas, nach wie vor entzieht er sich dem Jugendamt.

Am letzten Abend vor dem Umzug lernte ich meinen jetzigen Freund kennen. Er unterstützt mich bis heute sehr.

Als ich zu seinem Geburtstag im Mai mit dem Zug nach Osnabrück reiste, merkte ich in der Nacht, dass etwas nicht stimmt: Ich hatte Durchfall und Krämpfe. Da das Krankenhaus um die Ecke war, sind wir um 4 Uhr morgens in die Notaufnahme gefahren. Ich hatte in der 28. SSW Wehen, und der Gebärmutterhals war nur noch bei 1,2 cm. Wieder brach meine Welt zusammen. Ich kam auf Station an die Tokolyse. Erst hieß es, ich bräuchte nur einige Stunden dortbleiben, dann 48 Stunden, und zum Schluss war ich ganze vier Wochen im Krankenhaus. Ich durfte nur zur Toilette aufstehen und zum CTG. Vier Mal wollte er in den vier Wochen raus, und da ich in der letzten Woche trotz Tokolyse alle zehn Minuten Wehen hatte, ließ ich sie abstellen.

Nach 26 Stunden Wehen erblickte meine große Liebe, mein kleiner Yannik, bei 32+6 das Licht der Welt. Klein und zerbrechlich kam er auf die Neonatologie. Drei quälende Wochen musste er dortbleiben. Jeden Abend, wenn ich ihn verlassen musste, weinte ich, dass er noch nicht bei mir sein kann. Dann endlich durfte er raus, und wir kehrten nach Hause zurück.

Es gab sehr viele Probleme mit den Ämtern, da vom Kindsvater keine Vaterschaftsanerkennung vorlag. Weil er aber noch in der Ehe geboren war, mussten wir die Vaterschaft gerichtlich aberkennen lassen. Um jeden Cent musste ich für ihn kämpfen, aber es gelang mit Hilfe von gemeinnützigen Organisationen. Ich kämpfte mich für mein Baby durch alle Widrigkeiten – oft am Rande eines Nervenzusammenbruchs, doch mit einer Stärke, die ich von mir nicht kannte.

Dieses Jahr im April zog ich in meine eigene kleine Wohnung in Osnabrück, um meinem Freund näher zu sein. Hier haben wir liebe Freunde kennengelernt, gehen mittwochs zum Eltern-Café und erkunden die Stadt.

Ich habe lange gebraucht, um damit klarzukommen, was ich alles verloren habe. Gerade um meine kinderlose Spontaneität – wie Partys, Reisen und Freizeit – habe ich lange getrauert, ebenso wie um das Geld, das ich vorher verdient habe und für meinen Spaß nutzen konnte. Jetzt habe ich das alles nicht mehr, doch dafür habe ich eine bedingungslose große Liebe gefunden und lebe jetzt ein anderes, aber nicht minder schönes Leben. Ich musste mich nur darauf einlassen, denn die letzten 15 Monate mit Yannik waren die liebevollsten meines Lebens.“

(Janina, September 2019)

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